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Warum Baumwollbeutel nicht automatisch eine umweltfreundliche Alternative sind

Warum Baumwollbeutel nicht automatisch eine umweltfreundliche Alternative sind

Sie sind das Sinnbild für Umweltverschmutzung: knisternde Einweg – Plastiksackerl. Im Jänner 2020 wurde ihr Verkauf in Österreich offiziell verboten, ihre Umweltschädlichkeit ist mittlerweile bekannt. Schon länger trägt die hippe Konsumgesellschaft daher lieber Baumwolle statt Plastik. Das Baumwollsackerl ist mittlerweile zu einem modischen Accessoire aufgestiegen. Doch der Stoffbeutel ist nicht automatisch umweltfreundlicher als eine Plastiktüte, wie Michaela Knieli, Expertin für Ernährung und Ökotextilien bei der Umweltberatung Österreich, im Gespräch mit Inspektorin Grün verrät. Die biologisch abbaubare Alternative bringt bei genauerer Betrachtung einige Laster mit sich.

Plastiksackerlverbot 2020: Kommt mir nicht (mehr) in die Tüte

Insgesamt fallen jährlich zwischen 5.000 bis 7.000 Tonnen Kunststofftragetaschen in Österreich an. Korrekt entsorgte Plastiksackerl werden hierzulande je nach Region verbrannt, zum Teil auch recycelt. Im Gegensatz zu vielen anderen Ländern landet in Österreich Plastik zwar seltener in der Natur, dennoch findet man Plastiktüten auch hier häufig in der Umwelt. Über 100 Kilogramm Plastik werden zum Beispiel täglich über die Donau abtransportiert. Pro Jahr fallen im Land über eine halbe Million Tonnen Kunststoffabfälle an. Das sind rund 57 Kilo Plastikabfall pro Person. 

Seit dem 1. Jänner 2020 dürfen in Österreich keine Einweg-Kunststofftragetaschen mehr verkauft werden. Konkrete Ziele der Maßnahme sind das Verbot von nicht vollständig biologisch abbaubaren Kunststofftragetaschen sowie eine rasche Umsetzung der Einwegplastik-Richtlinie der EU mit entsprechenden Produktverboten und Reduktionszielen. Bis zum Jahr 2025 soll die Plastikverpackungsmenge aus dem Jahr 2016 demnach um 20 bis 25 Prozent reduziert werden. 

Von dem Verbot ausgenommen sind Mehrwegtaschen aus Kunststoffgewebe, biologisch abbaubare und aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellte Obstsackerl sowie Müllsäcke, Hundebeutel oder Gefrierbeutel. Ein paar EU-Länder waren Österreich mit diesem Verbot voraus. In Frankreich gibt es bereits seit dem 1. Jänner 2016 ein landesweites Verbot nicht kompostierbarer Plastiksackerl, in Italien gilt dieses schon seit dem 1. Jänner 2011. In Deutschland dürfen hingegen erst seit Jahresbeginn 2022 keine Plastiksackerl mehr in Supermärkten verkauft werden. Und auch in vielen anderen Ländern der Welt gibt es bereits generelle Verbote von Plastik oder bestimmter Arten von Plastik. 

Mit dem Plastiksackerlverbot von 2020 wurde in Österreich ein erster wichtiger Schritt zur Vermeidung von Plastikmüll gesetzt, der generell in allen Bereichen des Handels gilt und auch Wirkung zeigt, meint Michaela Knieli. „Es ist zu einer deutlichen Reduktion gekommen. Die Vermeidung ist die wichtigste Maßnahme in der Abfallvermeidung und überhaupt in der Ökologie. Man kriegt nicht mehr selbstverständlich ein Sackerl aufgedrängt. Wenn man dafür bezahlen muss, führt das zu einem Umdenken bei den Konsument:innen.“

Die ökologisch beste Tasche ist die, die ewig genutzt wird

Muss man aber doch zu einem Sackerl greifen, dann heißt die Alternative jetzt, Taschen aus biologisch abbaubaren Materialien wie Papier oder Baumwolle zu verwenden. Der reine Verzicht auf Plastik ist jedoch noch lange nicht die Lösung, denn auch die Produktion von Baumwolle und Papier bringt negative Begleiterscheinungen mit sich. Hoher Wasserverbrauch sowie der Einsatz von Pestiziden, die für die Herstellung häufig notwendig sind, führen zu einer starken Umweltbelastung. Als nachhaltig gilt eine Stofftasche erst, wenn sie regelmäßig wiederverwendet wird. Genauer gesagt muss sie etwa 50 bis 150 Mal wiederverwendet werden, bis sie den ökonomischen Fußabdruck eines Plastiksackerls überhaupt ausgleicht.

Die Ökobilanz eines Baumwollbeutels ist also streng genommen zunächst einmal schlechter als die des Plastiksackerls und – sofern er nicht oft genug wiederverwendet wird – auf lange Sicht auch nicht umweltfreundlicher. Das Gleiche gilt für Papier: Die Herstellung eines Papiersackerls braucht mehr Energie als die eines Plastiksackerls. Tatsächlich ist die Papierindustrie der fünftgrößte Energieverbraucher weltweit. Der Baumwollbeutel ist im Vergleich zum Plastik allerdings stabiler, umweltschonender und recyclingfähiger, da Baumwolle biologisch abbaubar ist. Ein hoher Anteil der in Deutschland und Österreich genutzten Baumwolle ist jedoch genmanipuliert, auch herrschen auf Baumwollplantagen häufig schlechte Arbeitsbedingungen. Ökologisch besser schneiden Bio-Hanf und Bio-Leinen ab, welche bisher im Handel aber nur wenig angeboten werden. 

Wenn ihre Produktion also so schädlich ist, kann Baumwolle dann auf lange Sicht die Lösung sein? „Schwierige Frage, und doch einfach beantwortet“, meint Michaela Knieli. „Man sollte sich gar nicht so auf den Einsatzstoff konzentrieren. Die ökologisch beste Tasche ist die, die ewig genutzt wird. Natürlich, Baumwolle ist energieintensiv, braucht extrem viel Wasser in der Erzeugung. Auch Pestizide werden verwendet, wenn es sich um konventionelle Baumwolle handelt. Aber wenn diese Tasche lange und oft genutzt wird, dann fällt das im Ökoranking nicht ins Gewicht.“ 

Mag. Michaela Knieli ist Expertin für Ernährung und Ökotextilien bei der Umweltberatung Österreich. Ihre Schwerpunkte liegen auf Ernährung und Lebensmittelqualität, Ökologische Speisenplanung in der Gemeinschaftsverpflegung, ökologische Auswirkungen der Textilproduktion, Beratung von Umweltzeichen für Schulen und der Beratung für Green Meetings und Green Events.

Foto: Monika Kupka, DIE UMWELTBERATUNG

Papier verbraucht gleich viel Energie wie Stahl

Ein ökologisches Material zu suchen, um es dann für den Einmalgebrauch zu produzieren, kann keine ökologische Lösung sein, so die Expertin. Besondere Vorsicht ist hier bei Einweg – Papiertaschen geboten, da auch die Papierherstellung extrem energieintensiv ist. Zum Vergleich – die Herstellung einer Tonne Frischfaserkopierpapierpapier benötigt genau so viel Energie wie die einer Tonne Stahl. Wo Papier trotzdem genutzt wird, sollte unbedingt darauf geachtet werden, dass Produkte aus 100 Prozent Recyclingpapier verwendet werden, die den Kriterien eines Umweltzeichens entsprechen.

Das EU Ecolabel dient zum Beispiel als grenzüberschreitendes Umweltgütesiegel, das im europäischen Markt als einheitliche Kennzeichnung für umweltfreundliche Produkte und Dienstleistungen steht. Um eine wirklich nachhaltige Papierversorgung gewährleisten zu können, müsste der Verbrauch in den westlichen Ländern allerdings nahezu halbiert werden. „Ich würde nicht einfach ein Material gegen das andere ausspielen – Kunststoff macht in manchen Anwendungen Sinn. Papier macht Sinn. Baumwolle macht Sinn“, so die Expertin. „Es ist nur die Frage: Kann ich es lange nutzen und nutze ich es auch?“

Woher kommt mein Sackerl?

Wer sich für jeden Einkauf einen neuen Baumwollbeutel zulegt oder neue Papiertaschen nutzt, hilft der Umwelt jedenfalls nicht. Eine Frage, die man sich in diesem Zusammenhang auch stellen muss, ist die nach der Herkunft der Ressourcen, welche für die Herstellung von Baumwollprodukten genutzt werden. „Baumwolle wird in vielen Ländern angebaut, aber es gibt da keinen Herkunftsnachweis. Für Konsument:innen ist es interessant, ob es sich um Biobaumwolle oder herkömmliche Baumwolle handelt – denn wie sie angebaut wird, ist der wichtige Aspekt. Und: Muss sie überhaupt noch angebaut werden? Schließlich gibt es mittlerweile recycelte Baumwolle“, so die Expertin. „Man muss ja gar nicht einen frischen Primärrohstoff verwenden, man kann auch Textilien wiederverwenden, um eine Tasche zu erzeugen. Wenn ich einen recycelten Kunststoff mit herkömmlicher Baumwolle vergleiche, schneidet die Baumwolle hier ökologisch natürlich schlechter ab.“ 

Wie schaut es in der Textilbranche generell aus?

Baumwolle wird natürlich nicht nur für Tragetaschen genutzt, sondern kommt in der gesamten Textilbranche zum Einsatz. In Bezug auf Baumwolle wird in der Branche häufig mit Nachhaltigkeit geworben. Es stellt sich allerdings die Frage, ob die Industrie tatsächlich das Problem beheben oder nur die Kundschaft nicht verlieren will. Oft wird kritisiert, dass gerade Großkonzerne, die auf Nachhaltigkeit setzen, scheinheilig sind. 

Es tut sich hier weltweit auf jeden Fall etwas, meint die Expertin. „Die ganze Textilbranche ist im Umbruch, man weiß, dass es so nicht weitergehen kann und zielt darauf ab, verbesserte Produkte anzubieten. Das System produziert aber natürlich immer noch zu viel“, sagt Michaela Knieli und empfiehlt, wo immer möglich auf recycelte Produkte zu setzen. 

Reduce, Reuse, Recycle

Ein wichtiger Grundsatz in der ökologischen Abfallvermeidung ist: REDUCE → REUSE → RECYCLE. An diesem sollte man sich orientieren, wenn man ökologisch nachhaltig konsumieren möchte, meint die Expertin. Also von allem so wenig wie möglich verwenden, schon vorhandene Taschen so oft wie möglich nutzen und immer auf die Wiederverwendbarkeit der Materialien achten. Wer nach Informationen zu Anbieter:innen ökologischer Textilien sucht, findet sie auf der Website von Die UMWELTBERATUNG.

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