Ist es ein Problem, wenn Unternehmen Geld an Organisationen spenden? Und was bezwecken sie eigentlich damit? Gabriele Faber-Wiener ist Expertin und Dozentin im Bereich Business-Ethik und kennt das Themenfeld aus vielen Perspektiven – Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft. Im Gespräch mit Inspektorin Grün erzählt sie, was hinter den Spenden steckt und warum beide Partner oftmals zögern, transparent zu sein.
Was erwarten sich Unternehmen, wenn sie Geld an Organisationen spenden?
Faber-Wiener: In den meisten – oder in vielen Fällen: gar nichts. Wenn es sich um
handelt, dann ist das per Definition kein Geschäft oder Gegengeschäft. Es passiert – im Gegensatz zu – aus einer intrinsischen Motivation.Werden Spenden für die eigene Öffentlichkeitsarbeit genutzt?
Faber-Wiener: Manchmal, aber nicht immer. Viele erwähnen es nicht. Oft sind es zudem dieUnternehmerselbst, die spenden. AMS-Chef Johannes Kopf hat einmal zu mir gesagt: Unternehmen sollen
machen und spenden sollen Unternehmer, also die Eigentümer. Weil eben ein Unternehmen meist strategische Ziele hat. Und bei Spenden geht es wie gesagt nicht um strategische Ziele.Welche Rolle spielt das eigene Image, wenn Unternehmen spenden?
Faber-Wiener: Da gibt es zwei Ebenen – die normative und die Praxis. Man spendet, weil man emotional berührt ist und unterstützen möchte. Ich war lange Zeit bei „Ärzte ohne Grenzen“ und bei „Greenpeace“ und habe das auch oft miterlebt.
spielen bei Spenden eine geringere Rolle – oder sollten es zumindest. Mit Spenden sollte man keine Forderungen verbinden, dafür gibt es Sponsoring. Wenn ich nur spende, um mich positiv abzuheben oder um damit indirekt meinen Unternehmenswert zu erhöhen, dann ist das falsch. Dafür sind Spenden nicht geeignet. Gleichzeitig sind Spenden wichtig, weil sie den dritten Sektor – NPOs und NGOs und deren wichtige Aufgaben – am Leben erhalten.Häufig ist nicht einsichtig, wohin von Unternehmen gespendete Gelder gehen. Warum?
Faber-Wiener: Das ist ein Riesenthema, denn in Österreich ist – im Gegensatz zu manchen anderen Ländern – niemand gezwungen, diese Informationen offenzulegen. Genau deswegen habe ich gemeinsam mit Juristen, Wirtschaftsprüfern, Unternehmensvertretern, NGOs usw. den „Kodex für transparente Zusammenarbeit“ geschrieben. Er ist das Kernstück der Initiative „transparente-zusammenarbeit.org“ und richtet sich vor allem an Unternehmen, damit sie genau diese Dinge offenlegen. Im Kodex geht es um Spenden, aber auch um Sponsoring und Kooperationen. Wenn man das offenlegt, ist das ein Reputationsgewinn für beide Seiten.
Welche Rolle spielt also Transparenz in dem Zusammenspiel aus Spenden und Imagepflege?
Faber-Wiener: Transparenz spielt eine große Rolle. Hier muss man aber aufpassen, dass man Unternehmen nicht zu Unrecht verurteilt, denn Spenden sind etwas Essentielles. Spenden zu verteufeln könnte dazu führen, dass Unternehmen nicht mehr spenden. Es geht schlicht und einfach darum, dass sie das, was sie tun, auch offenlegen. Es kann aber teilweise auch berechtigte Gründe geben, Spenden nicht anzuführen. Aber dann muss man es eben begründen – frei nach dem Motto: „comply or explain“.
Was wären das für Gründe?
Faber-Wiener: Es gibt einfach Organisationen, wo es zum Beispiel um Bevölkerungsgruppen geht, die aus Unternehmenssicht heikel, schwer kommunizierbar sind. Brisant wäre zum Beispiel eine Spende an eine Beratungsorganisation für ehemalige Schwerverbrecher. Dann gibt es vielleicht Gründe, dass ein Unternehmer, dem das ein Anliegen ist, sagt, dass er eigentlich nicht darüber reden will, sondern es einfach tut, d.h. dass er wie schon erwähnt als Privatperson spendet. Dann ist das absolut in Ordnung.
Wirkt es sich für Unternehmen positiv aus, wenn sie spenden, auch wenn über die Spendenempfänger nichts bekannt ist?
Faber-Wiener: Es gibt zum Beispiel eine Form des Spendens, die in Wirklichkeit Produktmarketing ist. Das heißt, man verknüpft den Verkauf eines Produktes mit einer Spende – man bezeichnet es als Cause Related Marketing. Studien belegen, dass Menschen eher zu Produkten greifen, die mit so einer Spende verbunden sind. Hier kommen zwei Dinge zusammen, die in Wirklichkeit nicht zusammenpassen: Gutes tun und verkaufen. Das kann letztlich zu einem Imageschaden führen. Die Verantwortung liegt bei solchen Kooperationen immer auf beiden Seiten. So wie sich NGOs überlegen müssen, von wem sie Geld nehmen und von wem nicht, so müssen auch Unternehmen überlegen: Was ist unser Motiv? Sind wir transparent? Wenn nicht, sollte man das begründen.
Ein Beispiel: Ich stehe im Geschäft und sehe ein Produkt, von dem ein gewisser Anteil an eine Organisation geht. Wie kann ich feststellen, ob das wirklich etwas bewirkt, oder ob das schöner klingt, als es ist?
Faber-Wiener: Das können Sie nicht. Sie können nur vertrauen. Und Vertrauen, wie wir wissen, braucht keine Kontrolle.
Gabriele Faber-Wiener ist eine österreichische CSR- und Kommunikationsexpertin. Seit mehreren Jahren ist sie Leiterin des ‚Center for Responsible Management‘, das sich mit Ethik und Verantwortung in Kommunikation und Management befasst. Ihre langjährige Erfahrung stammt aus Tätigkeiten in unterschiedlichen Bereichen: Zivilgesellschaft (Ärzte ohne Grenzen, Greenpeace), Politik (die Grünen) und Wirtschaft (Grayling Austria GmbH). Zudem ist sie Universitätsdozentin für Business-Ethik und Kommunikation.
Foto: Majas Photography
Wie sieht es mit Kontrollfunktionen aus?
Faber-Wiener: Kontrollfunktionen werden stärker. Viele Unternehmen haben heute große Compliance-Abteilungen. Gleichzeitig sind die Themen CSR und Nachhaltigkeit stärker im Fokus. Unternehmen haben heute bestimmte Verpflichtungen. Es rollt eine Art ‚Transparenzwelle‘ auf die Unternehmen zu. Ich würde mir wünschen, dass diese Welle auch auf NGO-Seite aufschwappt. Auch sie sind hier gefordert, schließlich fließt viel Geld bei solchen Kooperationen. Spenden sind nur ein Teil davon. Große Teile, die früher Spenden waren, sind heute
. Das liegt dann sehr wohl auch in der Verantwortung der NGOs, sich zu fragen: Mache ich so etwas? Wie wirkt sich das auf meine Reputation aus? Was macht das mit meiner Unabhängigkeit? Ich möchte keinesfalls die Unternehmen als negativ hinstellen und die NGOs als die Guten. Ich kenne beide Seiten von innen. Da darf man nicht schwarz-weiß malen.Die berühmten Grautöne also?
Faber-Wiener: Nicht nur in den NGOs, auch in den Unternehmen sitzen oft extrem engagierte Menschen. Wenn diese Menschen spenden, und das ist auch meine Erfahrung aus fast 10 Jahren ‚Ärzte ohne Grenzen‘, dann tun sie das, weil sie emotional berührt sind. Ich denke da etwa an den Tsunami (2004 in Südostasien, Anm.). Der hat stark emotionalisiert und berührt, da möchte man einfach helfen. Das ist etwas zutiefst Persönliches. Bei Unternehmen ist das gleichzeitig eine Gratwanderung: Steht jetzt ein strategisches Motiv dahinter oder ein persönliches?
Es wäre auf jeden Fall vertrauenswürdiger, wenn Motive transparent kommuniziert würden.
Faber-Wiener: Für die Öffentlichkeit schon. Aus Sicht der Unternehmen kann es andere Situationen geben – und ich habe das selbst erlebt. Wo dann ein CEO sagt: Wenn mein Aufsichtsrat weiß, dass ich so und so viel Geld spende, dann wird er das eventuell kritisieren und sagen, dass das eventuell die Dividende reduziert. Also möchte ich nicht groß darüber reden. Das ist etwas, was nicht von der Hand zu weisen ist. Oft geht es auch um bürokratischen Aufwand. Wenn Sie eine Firma am Land haben und Sie unterstützen den lokalen Fußballverein mit ein paar Hundert Euro, dann soll das ja weiterhin unbürokratisch möglich sein. Oft gibt es pragmatische Gründe, warum man zögert, transparent zu sein.
Eine häufige Kritik ist, dass das ganze Thema Spenden an strukturellen, systemischen Veränderungen vorbeigeht und deshalb nicht nachhaltig ist. Organisationen, die jetzt Geld bekommen, würden in einer gewissen Abhängigkeit bleiben. Wie schätzen Sie das ein?
Faber-Wiener: Das diskutiere ich sehr oft. Das zu sagen wäre verkürzt. Spenden sind wichtig für den Non-Profit-Sektor, und der ist ein ganz zentrales Korrektiv. Österreich würde ohne diesen Sektor zusammenbrechen. Eine aktive Demokratie braucht NGOs und NPOs. Wir haben nur dann wirkliche Veränderungen, wenn es eine aktive Zivilgesellschaft gibt. Und dafür braucht es Unabhängigkeit. Die bekomme ich, wenn ich eine breite finanzielle Basis habe. Wenn ich nur einen Geldgeber habe, bin ich naturgemäß nicht unabhängig. Dann stimmt das. Wenn ich aber viele Spender und Spenderinnen, nämlich Private, dazu noch Unternehmen und ein paar öffentliche Zuwendungen habe, dann habe ich eine breite und solide Basis. Umgekehrt, wenn Sie sagen: Keine Spenden als Basis von NGOs – Was soll dann die finanzielle Basis sein?
Gute Frage…
Faber-Wiener: Dann sind Sie von der öffentlichen Hand abhängig, so wie es früher stark der Fall war. Dann sind Sie eine politische Vorfeldorganisation.