Wasserverschmutzung, Treibhausgase, Arbeitsrechtsverletzungen und Berge an Müll: Die Textilindustrie hat viele Schattenseiten. Inspektorin Grün fasst die fünf größten Problembereiche der Branche zusammen.
Problem #1: Die Textilbranche produziert mehr CO2 als Flugverkehr und Schifffahrt zusammen
Oft reist ein Kleidungsstück 20.000 Kilometer, bis es bei uns in Europa ankommt. Die Textilien werden also erst um die halbe Welt befördert, bevor sie in österreichischen Shops landen. Die ökologischen Schäden, die diese Prozesse bewirken, sind immens. Zehn Prozent des globalen Ausstoßes von Treibhausgasen werden laut eines Bericht des Europäischen Parlaments durch Herstellung von Kleidung und Schuhen verursacht. Das ist am Ende mehr Kohlenstoffdioxid, als der internationale Flugverkehr und die Schifffahrt zusammen erzeugen. Im Jahr 2011 haben Herstellung und Nutzung von Kleidung dem Beratungsunternehmen Carbon Trust zufolge 850 Millionen Tonnen CO2 verursacht.
Problem #2: Die Produktion eines T-Shirts verbraucht so viel Wasser wie du in zweieinhalb Jahren trinkst
Sauberes Trinkwasser ist lebensnotwendig und hart umkämpft. Weltweit haben laut Unicef etwa 2,2 Milliarden Menschen keinen regelmäßigen Zugang dazu. Laut eines Berichts des Europäischen Parlaments verbrauchte die Textilindustrie im Jahr 2015 rund 79 Milliarden Kubikmeter Wasser. Allein für die Herstellung eines einzigen Baumwoll-T-Shirts werden ganze 2.700 Liter benötigt. Das ist etwa die Menge Trinkwasser, die einem Menschen für zweieinhalb Jahre zum Leben reichen würde.
Problem #3: Herstellung und Pflege von Textilien verschmutzen die Meere
Nicht nur der Wasserverbrauch der Textilindustrie ist ein großes Problem, sondern auch die Wasserverschmutzung. Rund 20 Prozent der weltweiten Wasserverunreinigung lassen sich auf die Färbungsverfahren bei der Textilherstellung zurückführen. Greenpeace wies etwa 2014 nach, dass chinesische Textilunternehmen giftige Chemikalien ins Meer leiten, um sie zu entsorgen.
Damit nicht genug zählt die Textilindustrie auch zu den größten Mikroplastiksünder:innen weltweit. Laut Angaben von Textile Network wurden im Jahr 2018 mehr als 111 Millionen Tonnen Fasern hergestellt, die meisten davon Kunstfasern. Das Problem: Fast ein Drittel der Gesamtmenge an Mikroplastik, das am Ende im Meer landet, sind Plastikfasern von Textilien, die aus Polyester bestehen – sagt die Organisation International Union for Conservation of Nature (IUCN). Eine halbe Million Tonnen Mikroplastik gelangt durch das Waschen von Kleidungsstücken mit Synthetikfasern in die Meere. Mikroplastik konnte bereits in Tiefen von mehr als 8000 Metern gefunden werden, berichtete der Standard. In einer medizinischen Studie des Jahres 2018 wies man es auch im menschlichen Organismus nach.
Problem #4: Die Ausbeutung von Arbeiter:innen ist Alltag
Nicht nur die ökologischen Auswirkungen der Textilindustrie sind problematisch, auch ihre sozialen Schattenseiten sind groß. In Mittel-, Ost- und Südosteuropa können Beschäftigte in der Bekleidungsindustrie mit ihren Gehältern nicht einmal ihre Lebenshaltungskosten bestreiten, wie Recherchen der Clean Clothes Campaign zeigen. Mehr als 90 Prozent unserer Kleidung werden jedoch in Asien hergestellt. Die wichtigsten Exportländer für Bekleidung sind China, Indien und Bangladesch. Auch die dort Beschäftigten bekommen niedrige Löhne und schuften unter harten Arbeitsbedingungen.
In China setzen viele Fabriken auf sogenannte Wanderarbeiter:innen, die aus ländlichen Gebieten in die Industriezentren kommen. Ihre Zahl stieg seit den 1980er von zwei auf 200 Millionen. Der gesetzliche Mindestlohn liegt bei unter 300 Euro im Monat. Viele Wanderarbeiter:innen besitzen vor Ort nur eingeschränkte Bürgerrechte. Nach einem Bericht der FAZ verfügt nur jede:r Dritte über einen Arbeitsvertrag. Ihre Arbeitswoche übersteigt meist weit mehr als 44 Stunden. Pensionen stehen den meisten Arbeiter:innen nicht zu.
Arbeitsunfälle sind Alltag an den Produktionsstandorten. In Bangladesch starben im Jahr 2013 mehr als 1.100 Fabrikarbeiter:innen, als die Fabrik Rana Plaza einstürzte. Tausende Menschen wurden teils schwer verletzt. Laut eines Berichts der Süddeutschen Zeitung ließen 29 Unternehmen bei Rana Plaza Kleidung produzieren. Aber egal ob billige Marken wie kik, Primark oder Walmart, oder durchschnittlich teure Ware von Adler Mode oder Benetton: Der Hungerlohn, für den die Arbeiter:innen nähten, blieb derselbe.
Die meisten Unternehmen wollten laut Süddeutscher Zeitung keine Verantwortung nach dem Unglück übernehmen. Jetzt, Jahre später, sterben nach wie vor Menschen, die unsere Kleidung herstellen. 2020 etwa kamen zwölf Menschen bei der Explosion einer Textilfabrik in Gujarat in Indien ums Leben. 20 weitere starben beim Brand einer Bekleidungsfabrik in Kairo.
Problem #5: Wir kaufen zu viel und werfen zu viel weg
Wir wissen nicht erst seit gestern von den Missständen in der Bekleidungsindustrie, trotzdem haben Europäer:innen zwischen 1996 und 2012 ihre Kleidungseinkäufe um 40 Prozent gesteigert. Fast 26 Kilogramm an Textilien erwirbt eine in Europa lebende Person pro Jahr. Doch die trendigen Stücke hängen immer kürzer in unseren Schränken. Seit 2005 hat sich die durchschnittliche Verwendungsdauer um mehr als ein Drittel verringert. Von den 26 Kilo neu gekaufter Textilien pro Person werden im Schnitt elf Kilogramm wieder weggeworfen. 87 Prozent davon landen auf Mülldeponien oder werden verbrannt. Recycelt wird weltweit bloß ein Prozent der weggeworfenen Kleidung.
Das Amsterdamer Green-Fashion-Label Labfresh hat einen Fashion-Waste-Index veröffentlicht, in dem 15 europäische Länder analysiert wurden, die für die größten Mengen des jährlich anfallenden Textilmüll in Europa verantwortlich sind. Demnach werden alleine in Italien etwa 466.000 Tonnen Textilmüll produziert. In Österreich sind es mehr als 62.000 Tonnen. Pro Jahr fallen weltweit 92 Millionen Tonnen Müll durch die Textilindustrie an, das umfasst nicht nur das, was wir als Verbraucher:innen wegwerfen, sondern auch die gesamte Herstellung.
Und was jetzt?
Diese Probleme der Textilindustrie wirken überwältigend groß, da kann man als Konsument:in (aber auch als gewissenhaftes Unternehmen) nachvollziehbar verzweifeln. Große Modeketten und kleine Labels setzen mittlerweile vermehrt auf “fair fashion” – nachhaltige Mode, die es anders machen will. Ob das funktionieren kann, oder ob doch Greenwashing dahinter steckt, hat sich Inspektorin Grün anhand eines kleinen österreichischen Unternehmens angesehen. Unser Nachhaltigkeitscheck erscheint in Kürze. Seid gespannt!