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Aus Alt mach Neu!: Drei Gründe, warum Recycling die Probleme der Modeindustrie nicht löst

Aus Alt mach Neu!: Drei Gründe, warum Recycling die Probleme der Modeindustrie nicht löst

Black Friday ist vorüber und du hast mal wieder wie wild geshoppt? Jetzt quillt dein Kleiderkasten über und du weißt nicht, wohin mit den alten Shirts, Jeans und Sneakern? Kein Problem. Die Fashion-Giganten deines Vertrauens haben die Lösung: Recycle doch einfach! Immer mehr Modeketten werben damit, die Altkleider ihrer Kunden zu recyclen. Aus Alt mach Neu. Schenk deinen ehemaligen Lieblingsteilen ein neues Leben! Also nichts wie ab zur nächsten Shopping-Mall und etwas Gutes tun? Halt, Stop! Inspektorin Grün hat genauer hingesehen. 

1. Wohin deine Kleidung geht, ist oftmals nicht transparent. 

Die Textilindustrie hat ein Imageproblem. Sie gilt als Umweltsünderin – und immer mehr Kund:innen legen wert auf nachhaltige Mode. Kleidungsriesen wie H&M oder Zara kontern mit grünen Kampagnen. Neben als ökologisch angepriesenen Kollektionen bewirbt man vor allem eines – Recyclingprogramme. Die Botschaft ist klar: “Gib uns dein altes Gewand und sei Teil einer nachhaltigen Lösung!” Hört sich gut an, oder?

Aber wo landen die Teile nach der Abgabe tatsächlich? 

In vielen Fällen ist das nicht nachvollziehbar. Dies zeigten kürzlich Recherchen der Wochenzeitung Zeit, des NDR und FLIP zu diesem Thema. Journalist:innen versteckten in mehreren Sneakerpaaren von Prominenten GPS-Tracker und gaben diese bei verschiedenen Recyclingstellen und Altkleidercontainern ab – darunter auch Boxen von Zara, C&A und Nike. Viele dieser Paare landeten später in Müllverbrennungsanlagen – oder wurden nach Afrika verschifft. “Auf diese Intransparenz können sich Konsument:innen definitiv einstellen, wenn sie ihre Kleidung abgeben” gibt Lisa Panhuber, Expertin für nachhaltigen Konsum bei Greenpeace Österreich, zu bedenken. 

Schätzungen gehen davon aus, dass rund 50% der gesammelten Kleidung als Secondhandware weiterverkauft werden kann. Doch nur ein kleiner Prozentsatz geht hierzulande erneut über den Ladentisch. Der weitaus größere Teil wird exportiert – und landet so zum Beispiel in Osteuropa, Asien oder Afrika. Panhuber sieht genau das kritisch: “Unsere Erfahrung zeigt, dass die lokale Produktion im globalen Süden dadurch extrem bedroht wird”. Immer wieder wird in betroffenen Ländern daher über Importverbote nachgedacht

Mehr als ein Drittel der abgegebenen Kleidung kann tatsächlich wiederverwertet werden. 

2. Aber: Kleidung zu recyclen ist kompliziert 

Dass aus deinen Shirts, Jeans und Tretern neue Klamotten werden, ist aber unwahrscheinlich. Viel eher enden sie als Putzlappen. Man spricht von “Downcycling”:  Die Ausgangsmaterialien werden zu weniger wertigen Endprodukten verarbeitet. So entstehen aus deinen alten Klamotten beispielsweise Putzlappen, Dämmstoffe oder Füllungen für Autositze. Expert:innen schätzen, dass nicht einmal ein Prozent der Alttextilien zu neuer Kleidung verarbeitet werden kann. Das liegt vor allem daran, dass Textilrecycling aufwendig und teuer ist, die Qualität der recycelten Materialien zudem zu Wünschen übrig lässt. 

Problematisch ist dabei in erster Linie die Zusammensetzung der Bekleidung. Viele Klamotten bestehen aus Faser-Gemischen, die den Recyclingprozess erschweren. “Das große Problem ist, dass Mode – so wie sie jetzt produziert wird – meistens einfach nicht recyclebar ist”, erklärt Panhuber. 

Ist Downcycling deshalb ein Problem? “Natürlich ist es grundsätzlich nicht schlecht, das Ding zu einem Lappen zu verarbeiten, anstatt es einfach zu verbrennen. Aber das ändert nichts daran, dass noch immer zuviel produziert wird”, weiß Lisa Panhuber. 

3. Das Kernproblem wird nicht gelöst 

Und genau hier liegt der Kern des Problems. Die Nutzung von Altkleidern als Secondhandware oder für Putztücher ist nicht per se schlecht. Am bestehenden Geschäftsmodell der Fast-Fashion-Giganten ändert sich jedoch nichts. Schlimmer noch, oftmals erhält man für abgegebene Textilien auch noch Rabattgutscheine.

Das Motto soll auch weiterhin lauten: Kaufen, kaufen, kaufen. Bis zu 24 Kollektionen bringen Zara, H&M und Konsorten jährlich auf den Markt. Das hat Folgen: 92 Millionen Tonnen Textilmüll fallen weltweit pro Jahr an. Die Auswirkungen der Textilbranche auf die Umwelt sind verheerend.

“Die Recyclingprogramme dürfen nicht als Rechtfertigung für die Überproduktion gelten”, mahnt Panhuber ein. Solange die Kleiderberge also weiter rasant wachsen, sind die Recyclingbemühungen der Modeindustrie keine Lösung des Problems.

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